Veranstaltung: | Landesparteirat Eberswalde |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Infrastruktur "Wir stellen die Weichen auf grün" |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 22.03.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.03.2018, 16:04 |
L2: Gesund leben in Brandenburg
Antragstext
Gesundheit und Pflege gehören zu den zentralen Herausforderungen der Zukunft.
Von entscheidender Bedeutung ist es, eine gute medizinische Versorgung der
Menschen vor Ort zu sichern, den Bedarf an Pflegekräften und Ärzt*innen zu
gewährleisten und ein starkes Angebot an Einrichtungen zur Prävention und
Gesundheitsförderung vorzuhalten. Ziel bündnisgrüner Gesundheitspolitik in
Brandenburg ist es, Gesundheitsschutz und -vorsorge zu verstärken, Krankheit zu
vermeiden und Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern.
Gleichzeitig ist der Gesundheitssektor einschließlich Pflege, Reha- und
Wellnesseinrichtungen einer der größten Wirtschaftszweige mit bereits 96.000
Beschäftigten.
Wir wollen:
- einen guten Start ins Leben mit guter, wohnortnaher Geburtshilfe und
Hebammenbegleitung vor, während und nach der Geburt ermöglichen, mehr
Hebammen ausbilden und die Hebammenausbildung akademisieren (bis zum
Doktorgrad),
- Kindeswohl und Kinderschutz sichern, Frühe Hilfen, Netzwerke Gesunde
Kinder und Kinder Pflege Netzwerke ausbauen und professionalisieren,
- Kindergesundheit stärken, gesunde Ernährung in Kita und Schule
voranbringen, Therapie- und Förderangebote direkt in den Kitas
ermöglichen, den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit pädiatrischen
Angeboten stärken.
- Gesundheitsaufklärung, Beratungseinrichtungen und Präventionsangebote
ausbauen (z.B. für Ernährung, Diabetes), Suchtberatungsstellen verstärken,
sexuelle Gesundheitsaufklärung fördern, unabhängige Patientenberatung und
Selbsthilfeinitiativen fördern, Nichtraucherschutz konsequent umsetzen,
kostenfreie Rauchentwöhnungskurse und Beratung anbieten,
- das Modellprojekt Schulgesundheitsfachkräfte unterstützen,
- gute medizinische Versorgung in den ländlichen Räumen sichern, Übernahme
von Hausarztpraxen und Aufbau von Gesundheitszentren unterstützen,
integrierte Versorgungsangebote ausweiten, innovative Projekte wie
rollende Arztpraxen und nichtärztliche Praxisassistent*innen (AGnES)
vorantreiben, Potentiale der Telemedizin prüfen, Angebote der Fachstelle
Pflege im Quartier verstetigen und ausbauen,
- die besonderen Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen in der
ambulanten, teilstationären und stationären medizinischen Versorgung
berücksichtigen,
- die Herstellung der barrierefreien Zugänglichkeit und barrierefreien
Nutzungsmöglichkeiten von Praxen und Apotheken fordern und unterstützen,
- Patient*innenenrechte von Menschen mit Beeinträchtigungen weiter stärken.
Das setzt voraus, dass die Weiterentwicklung der Selbsthilfe und
Patient*innenenbeteiligung im Gesundheitswesen mehr Bedeutung erlangen
muss.
- Erhalt von integrierten medizinischen Versorgungsangeboten an allen 53
Krankenhausstandorten, keine weiteren Privatisierungen,
- Erhalt aller Geburtsstationen,
- die Notfallversorgung weiterentwickeln. Patient*innen brauchen gute
Lösungen, die sich an ihrer Lebensrealität orientieren,
- gute Pflege (ambulant und stationär) sicherstellen, Pflegestützpunkte und
Pflegenetzwerke ausbauen, Pflegekammer vorantreiben (Informationskampagne
und Befragung aller Pflegekräfte), Personalbemessungsinstrument einführen,
Arbeitsbedingungen und Bezahlung in der Pflege verbessern,
- den Ausbau von Angeboten für junge Pflegebedürftige unterstützen,
- Fachkräftemangel entgegenwirken, mehr Nachwuchs in der Pflege ausbilden,
Kostenfreiheit der Altenpflegeausbildung herstellen, Akademisierung der
Pflegeberufe vorantreiben. Aufnahme Pflegende in Gemeinsames Landesgremium
nach § 90a SGB V mit Stimmrecht
- Entwicklung und Vernetzung des „Gesundheitscampus“ in Brandenburg a.d.
Havel unterstützen,
- psychiatrische Versorgung verbessern, Landespsychiatrieplan entwickeln ,
Besuchskommissionen unterstützen, schnellen Zugang zu Therapieangeboten,
insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, über die psychiatrischen
Institutsambulanzen sichern, ambulante gemeindenahe Angebote ausbauen,
Nachsorgeangebote aufbauen, Kriseneinrichtungen stärken,
- Palliativversorgung und Hospize, ambulante und stationäre Angebote
ausbauen
- Gesundheitsversorgung für Geflüchtete sicherstellen, Zugänge zu
psychiatrischen und psychotherapeutischen Angeboten vereinfachen und
vereinheitlichen, Sprachmittlungsangebote verstetigen,
- Angebote von psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Folteropfer
landesweit ausbauen,
- auf Bundesebene: Zwei-Klassen-Medizin beenden, Bürger*innenversicherung
und Bürger*innen-Pflegeversicherung einführen.
Begründung
Etwa 22 Tage waren Angestellte 2016 in Brandenburg durchschnittlich krank, 6 % ihrer Arbeitszeit, wie aus dem jüngsten Gesundheitsbericht Berlin-Brandenburg hervorgeht. Das ist zusammen mit Sachsen-Anhalt der höchste Wert im Ländervergleich. Tendenz steigend: 2014 betrug der Krankenstand noch 5,7%, 2015 kletterte er auf 5,9%. Bundesweit lag er 2016 bei rund 5%. Selbst Potsdam, wo der Krankenstand mit 5,1 Prozent landesweit am niedrigsten ist, liegt über dieser Zahl. Am anderen Ende der Skala befinden sich die Prignitz und Ostprignitz-Ruppin mit 6,6 Prozent.
Grund für Krankschreibungen waren am häufigsten Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenleiden, gefolgt von psychischen Störungen und Atemwegserkrankungen. Die längsten Fehlzeiten hatten psychisch Erkrankte mit 34 Tagen. Ein Grund für den hohen Krankenstand in Brandenburg ist die Bevölkerungsstruktur mit vergleichsweise vielen älteren Arbeitnehmer*innen, aber auch der Wandel in der Arbeitswelt, die Belastungen durch Stress und durch ständige Erreichbarkeit schlagen hier zu Buche. Am höchsten ist der Krankenstand in den Pflegeberufen. Der Krankenstand in der Altenpflege betrug in Brandenburg 9,1 Prozent bei den Frauen und 6,4 Prozent bei den Männern. Das sollte zu denken geben. Dagegen sind die körperlich anstrengenden Berufe vergleichsweise unauffällig. Ausgewertet wurden die Krankmeldungen bei den gesetzlichen Krankenkassen – das sind die Daten von rund zwei Millionen Beschäftigten.
Gesundheit und Pflege sind Teil der Daseinsvorsorge. Wir sollten uns nicht erst dann mit dem Thema beschäftigen, wenn Menschen bereits krank sind. Das öffentliche Gesundheitswesen muss Gesundheit besser fördern und präventive Angebote stärken. Gesundheit ist nicht nur abhängig vom persönlichen Lebensstil, sondern ebenso von gesundheitsfördernden Lebens-, Lern- und Arbeitsbedingungen. Von Geburt an über Kita, Schule und Arbeitswelt bis zum Leben im Alter wollen wir allen Menschen ein gesundes Leben ermöglichen.
Ein guter Start ins Leben bildet die Grundlage für das gesunde Aufwachsen eines Kindes, für den Aufbau fester Bindungen und für ein gelingendes Familienleben. Wir wollen Hebammen und Entbindungspfleger in ihrer verantwortungsvollen Berufsausübung stärken und dafür Sorge tragen, dass es in Brandenburg auch in Zukunft ein ausreichendes und qualitätsgesichertes Angebot an Leistungen der Geburtshilfe sowie der Vor- und Nachsorge gibt.
Jedes Kind muss die Chance haben, gesund aufzuwachsen. Doch es zeigt sich zum Beispiel bei den Schuleingangsuntersuchungen, dass Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus häufiger eine Sprach- und Sprechstörung haben oder übergewichtig sind. Deshalb wollen wir diese Kinder von Anfang gezielt fördern, mit Programmen der „Frühen Hilfen“, mit Sprach- und Bewegungsförderung und mit therapeutischen Angeboten wie Logo-, Ergo- oder Physiotherapie direkt in der Kita, um Eltern zu entlasten.
Eine gemeinsame Krankenhausplanung mit Berlin darf die wohnortnahe Versorgung von Patientinnen und Patienten in Brandenburg nicht gefährden. Aber das Land Berlin und dessen Angebote der medizinischen Versorgung auszublenden, tut dabei weder den Patientinnen und Patienten gut, noch den finanziellen und personellen Ressourcen im Gesundheitswesen beider Länder. Die bestehenden Krankenhausstandorte im Land wollen wir erhalten. Versorgungswege und Behandlungsprozesse müssen dabei sektorenübergreifend neu gedacht werden. Bisher zieht die Trennung zwischen den Sektoren Brüche und Doppelstrukturen nach sich. Wir begrüßen die Einführung von Qualitätskriterien, mahnen aber an, dass Mindestfallzahlen nicht das alleinige Kriterium sein können. Die Festlegung von Mindestfallzahlen bei Operationen darf nicht alleiniges Kriterium für die Krankenhausplanung sein. Eine Schließung weiterer Geburtsstationen lehnen wir ab.
Es gilt, überall im Land eine qualitativ hochwertige, wohnortnahe medizinische Versorgung sicherzustellen, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
In den ländlichen Regionen fehlen Fachärzt*innen, Hausarztpraxen werden geschlossen. Hier brauchen wir innovative Lösungen, wie den Auf- und Ausbau von Gesundheitszentren, die Bereitstellung von Praxisräumen durch die Kommunen oder rollende Arztpraxen. Stationäre und ambulante Versorgung wollen wir besser verzahnen.
Auf Bundesebene setzen wir uns für eine dreimonatige „PflegeZeitPlus“ und jährlich zehn Tage bezahlter Freistellung für akute Notsituationen an.
Die Pflegeberufe werden überwiegend von Frauen ausgeübt. Wir wollen die Attraktivität des Berufs für alle steigern und setzen uns für eine bessere Entlohnung, die Angleichung der Löhne in Berlin und Brandenburg, bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Qualitätssicherung in der Pflege ein. Wir unterstützen die Gründung einer Pflegekammer, die dazu beiträgt, den Forderungen mehr Gehör zu verschaffen, und treten für verbindliche Personalbemessungsinstrumente in der Pflege ein, damit klar geregelt wird, wie viele Patient*innen eine Pflegekraft höchstens betreuen kann.
(Siehe dazu auch unser Beschluss: http://gruene-brandenburg.de/userspace/BB/lv_brandenburg/Dokumente/LDK_Neuenhagen_2015/Beschlu-esse/Fachkraefteentwicklung_in_der_Pflege.pdf).
Das Angebot einer akademischen Pflegeausbildung muss ausgeweitet werden. Auf Bundesebene streben wir den Ausbau der Pflegeversicherung an. Sie ist bisher als reine Teilkaskoversicherung angelegt. Verbesserungen in der Pflege schlagen so unmittelbar bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen durch. Schon jetzt beträgt der Eigenanteil bei einem vollstationären Pflegeplatz im Bundesdurchschnitt bei 1700 Euro monatlich. Dies treibt die Betroffenen in die Sozialhilfe.
Zu einer guten Pflege gehört auch, Sterbenden ein Lebensende in Würde zu ermöglichen. Die Bedingungen für die Hospize und die Palliativversorgung wollen wir verbessern.
Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen in Brandenburg. Doch insbesondere in ländlichen Regionen reichen die Behandlungsplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen bei weitem nicht aus. Zudem fehlen Angebote für die wachsende Zahl junger Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen und für Mütter mit Kindern. Das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) wird gerade novelliert. Wir wollen in einem Landespsychiatrieplan die Entwicklungsziele für die psychiatrische Versorgung festschreiben. Die Angebote der Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi) vor Ort, Psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs), Tageskliniken und kommunale psychiatrische Verbünde wollen wir von Landesseite fördern. Die Rechte von Patient*innen und Angehörigen wollen wir stärken. Die Arbeit der Besuchskommissionen unterstützen wir.
Die Digitalisierung ermöglicht viele Verbesserungen im Gesundheitswesen, birgt aber auch Gefahren. Alle Patient*innen sollten einen Anspruch auf eine sichere und vernetzte elektronische Patientenakte haben. Sie brauchen einen selbstbestimmten Zugang zu ihren Daten und höchstmöglichen Datenschutz.
Ein Versandhandelsangebot für rezeptpflichtige Medikamente ist gerade für den ländlichen Raum nicht zielführend.
Die Vertretung der Patientenorganisationen in den Gemeinsamen Landesgremien wurde in den Ländern nicht nur unzureichend sondern auch sehr unterschiedlich geregelt. Eine gleichberechtigte Teil- und Einflussnahme auf die Bedarfsplanung ist für die Patientenvertretungen nicht gegeben. In Brandenburg ist eine Beteiligung von Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten nach § 140f SGB V im Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen gegeben. Doch wird die Beteiligung der Patientinnen und Patienten in diesen Gremien wirklich ernsthaft gewollt?
Patientinnen und Patienten wollen nicht nur passiv behandelt werden, sie wollen auch selbst handeln, selbst mitbestimmen und mitreden. Sowohl bei ihrer individuellen Therapie – beim Arzt, im Krankenhaus und bei anderen gesundheitlichen Dienstleistungen – als auch bei Entscheidungen, die das Gesundheitssystem als Ganzes betreffen.
Landesweit ist der Anteil an Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Ambulanzen mit barrierefreiem Zugang nicht bedarfsgerecht. Damit ist Gesundheitsversorgung für viele Menschen mit Beeinträchtigungen in derselben Bandbreite wie für andere Menschen nicht gewährleistet. Art. 25 der UN-Behinderungskonvention: Die Vertragsstaaten stellen Menschen mit Behinderungen eine Gesundheitsversorgung zur Verfügung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard wie anderen Menschen. Sie bieten speziell benötigte Gesundheitsdienstleistungen so gemeindenah wie möglich an.
Viele bestehende Angebote zur gesundheitlichen Versorgung sind nicht barrierefrei zugänglich und nicht barrierefrei nutzbar. Damit ist eine freie Arzt- oder Therapeutenwahl für Menschen mit Beeinträchtigungen nicht gegeben.
Unterstützer*innen
Änderungsanträge
- Ä1 (GRÜNE JUGEND Brandenburg (dort beschlossen am: 11.04.2018), Eingereicht)
- Ä2 (GRÜNE JUGEND Brandenburg (dort beschlossen am: 11.04.2018), Eingereicht)
- Ä3 (KV LDS (dort beschlossen am: 12.04.2018), Eingereicht)
- Ä4 (KV LDS (dort beschlossen am: 12.04.2018), Eingereicht)
- Ä5 (GRÜNE JUGEND Brandenburg (dort beschlossen am: 11.04.2018), Eingereicht)
- Ä6 (GRÜNE JUGEND Brandenburg (dort beschlossen am: 11.04.2018), Eingereicht)
- Ä7 (KV LDS (dort beschlossen am: 12.04.2018), Eingereicht)
- Ä8 (KV LDS (dort beschlossen am: 12.04.2018), Eingereicht)
- Ä9 (GRÜNE JUGEND Brandenburg (dort beschlossen am: 11.04.2018), Eingereicht)