Veranstaltung: | Landesparteirat Eberswalde |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Europa |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteirat |
Beschlossen am: | 21.04.2018 |
Eingereicht: | 28.01.2019, 13:24 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Europa für Brandenburg, Brandenburg für Europa
Beschlusstext
Europa ist unsere Zukunft. Die Vertiefung der Europäischen Union und das
Zusammenwachsen der Staaten Europas auf Grundlage einer Wertegemeinschaft, in
der Vielfalt, Toleranz, Menschenrechte und Respekt vor Minderheiten die Basis
des Zusammenlebens sind, ist und bleibt auch in Zukunft ein herausragendes Ziel
unserer Politik. Denn diese Werte einigen uns über Länder, Sprachen, Nationen,
Religionen, einfach über Grenzen hinweg. Die Vielfalt in der Einheit und die
Zusammenarbeit aller sind die Stärken Europas. Nur so lassen sich auch die
Herausforderungen der Zukunft wie Klimawandel, Migration, grenzüberschreitende
Mobilität, innovative Landwirtschaft oder Digitalisierung erfolgreich meistern.
Die Europäische Union ist trotz aller Unzulänglichkeiten und Herausforderungen
eine Erfolgsgeschichte, von der ganz besonders auch Brandenburgprofitiert.
Niemals zuvor in der Geschichte eines Großteils unseres Kontinents gab es eine
vergleichbare Periode des Friedens, der politischen und persönlichen Freiheit
für alle und des relativen ökonomischen Wohlstands für viele. Dennoch steht
Europa vor Herausforderungen von Innen und Außen, die seinen Bestand als
Staatenunion in Frage stellen. Im Vereinigten Königreich hat eine Mehrheit der
Bürger*innen für den Brexit gestimmt, in Ungarn und der Slowakei machen die
Regierungschefs Stimmung gegen die EU, und gegen Polen hat die EU ein
Rechtsstaatsverfahren eingeleitet.
Wir Brandenburger Bündnisgrünen können uns eine gute Zukunft für Brandenburg nur
im Rahmen eines geeinten Europas vorstellen. Deshalb müssen und wollen wir
Europa gegen Populist*innen verteidigen aber auch weiterentwickeln. Wir haben
konkrete Vorstellungen, was wir uns für Europa in Brandenburg und für
Brandenburg in Europa wünschen.
Wir stehen ein für eine Europäische Union, die zusammen wächst und zusammen
arbeitet und Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft gibt.
EU-Mittel für ein ökologisches und soziales Brandenburg einsetzen
1. Gleichwertige Lebensverhältnisse fördern
Die Europäische Kohäsionspolitik ist ein wichtiger Beitrag zur Angleichung des
Wohlstandsniveaus in den unterschiedlichen Räumen der EU. Für uns Bündnisgrüne
bedeutet die Förderung durch Europäischen Strukturfonds nicht nur einen
wesentlichen Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa, sondern
sie sind auch ein wichtiges Instrument um die Werte und Ziele der Europäischen
Union zu fördern. Wir Bündnisgrüne fordern einen gesellschaftlichen Mehrwert der
EU-Förderpolitik. Daher ist es unabdingbar, dass die Kohäsionsförderung in
strukturschwachen Regionen zu veränderten Rahmenbedingungenfortgeführt wird. Der
Brexit führt jedoch zu einer deutlichen Kürzung der verfügbaren EU-Mittel. Dabei
ist für uns klar, dass wir für Brandenburg keine Förderung auf Kosten noch
ärmerer Regionen in der EU verlangen. Daher streben wir an, den Umfang der
Mittel für die Kohäsionspolitik beizubehalten. Darüber hinaus gehender,
besonderer Förderbedarf in Brandenburg sollte durch gezielte Bundesprogramme
bzw. dem Aufstocken einschlägiger Gemeinschaftsaufgaben sehr gut beantwortet
werden.
Deshalb fordern wir:
- Einführung einer Negativliste für Fördergegenstände (Ausschluss von
Flughäfen, Autobahnen, Kohle- und Gasinfrastruktur)
- Erhalt der EU-Kohäsionsförderung durch ausreichende Ausstattung des EU-
Haushalts mit Eigenmitteln (Finanztransaktionssteuer, Plastiksteuer)
2. Strukturwandel im Energiesektor unterstützen und nicht bremsen
Fördergelder können auch kontraproduktiv wirken. Sie müssen deshalb
zielgerichtet für übergeordnete Ziele ausgezahlt werden. Bestimmte
Fördergegenstände vor allem auch aus klimapolitischer Sicht müssen deshalb
ausgeschlossen werden. Die Europäische Union hat sich mit der Unterschrift unter
das Übereinkommen von Paris dazu verpflichtet, wirkungsvoll dem Klimawandel
entgegen zu treten. Daher gilt: Europa muss auf dreckigen Kohlestrom verzichten.
Wir Brandenburger Bündnisgrüne vergessen jedoch die Kohlekumpel, die
Facharbeiter*innen in der kohleverarbeitenden Betrieben, die Expert*innen in den
Kohlekraftwerken, die Mitarbeiter*innen in den Zulieferbetrieben und all die
Familien in den Kohleregionen nicht . Daher fordern wir neben den absolut
notwendigen Maßnahmen von Landes- und Bundesregierung ein EU-Programm zur
Gestaltung des Strukturwandels durch Kohleausstieg, mit dem eine echte Zukunft
in der Lausitz geschaffen werden kann. Denn der Ausstieg aus der Kohle ist eine
gesamteuropäische Aufgabe, daher muss der notwendige Strukturwandel auch in der
Lausitz auch mit europäischen Finanzmitteln flankiert werden.
Deshalb fordern wir:
- Einrichtung einer Europäisches Modellregion "Lausitz im Strukturwandel"
mit dem Ziel Kohleausstieg bei gleichzeitigem Erhalt industrieller
Strukturen
- Aufbau eines EU-Kompetenzzentrum Strukturwandel in der Lausitz
- Schaffung eines neuen Förderprogramms "Just Transition" im Rahmen des
Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (geplantes Mindestbudget: 10%
der EFRE-Mittel)
3. Die Europäische Agrarpolitik an Brandenburger Bedürfnisse anpassen
Die Förderarchitektur der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stellt rund 40 Prozent
des Gesamtbudgets der Europäischen Union und damit den zweitgrößten Posten im
EU-Haushalt dar.
Gefördert wird jedoch keine bäuerlich orientierte und naturverträgliche
Landwirtschaft, sondern ein agroindustrieller Kurs auf Kosten von Umwelt,
bäuerlichen Erzeuger*innen, Verbraucher*innen- und Tierschutz, der auch in
Brandenburg deutlich spürbar ist.
Für uns Bündnisgrüne steht für die neue GAP nach 2020 fest: Sie muss die
europäische Agrarwende einleiten! Wir brauchen in Brandenburg dringend eine
Umstellung der Förderpolitik weg von der Bevorzugung großer Agrarbetriebe hin zu
mehr Förderung lebenswerter ländlicher Räume und der Honorierung öffentlicher
Leistungen der Landwirtschaft wie Arten-, Umwelt-, Klima- und Tierschutz.
Vor allem kann Europa noch viel mehr für die Junglandwirt*innen und
Existenzgründungen in der Brandenburger Land- und Lebensmittelwirtschaft tun.
Deshalb fordern wir:
- Abkehr der pauschalen Direktzahlung pro Hektar im Rahmen der 1. Säule der
GAP: Einführung einer Kappungsgrenze in Abhängigkeit von Arbeitsplätzen,
degressive Ausgestaltung der Direktzahlungen und Förderung der ersten
Hektare zur besseren Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe sowie
für gerechtere Zahlungsverteilung
- Stärkung und Erhöhung der 2. Säule: In Zukunft sollen alle GAP-Zahlungen
verstärkt an landwirtschaftliche Betriebe gehen, die in den Bereichen des
Umwelt-, Natur, Klima- und Tierschutzes nachweislich gesellschaftliche
Leistungen erbringen. Die Zahlungen sollen nicht nur eine Ausgleichs-,
sondern auch eine Anreizkomponente für umwelt-, natur-, klima- und
tiergerechtes Wirtschaften enthalten
- Stärkung der Förderung von Junglandwirt*innen und Existenzgründer*innen:
Erhöhung der Förderungen für die ersten Hektare, Ausbau der bestehenden
Junglandwirte-Förderung auf über 2% aller Direktzahlungen
- Einrichtung eines europäischen Existenzgründer*innenprogramm mit
fachlicher Beratung und Begleitung in den ersten Jahren der
Betriebsgründung
- Stärkere Förderung des Aufbaus regionaler Wertschöpfungsketten im Bereich
der Land- und Lebensmittelwirtschaft, um die regionale Nachfrage nach
Qualitätsprodukten zu bedienen und Arbeitsplätze und Einkommen im
ländlichen Raum zu generieren.
Europa im Brandenburger Alltag erlebbar machen
1. Mehr Europa in den Kommunen – und die Kommunen europäisch stärken
Europa spielt für die Brandenburger*innen eine immer stärkere Rolle, sowohl für
die einzelnen Bürger*innen aber auch für Initiativen, Vereine, Kultur und Sport,
für die kommunale Verwaltung und die Brandenburger Wirtschaft, vom
Selbstständigen bis zum mittelständischen Unternehmen. Vor allem im Bereich der
Europäischen Förderpolitik, aber auch bei Auswirkungen europäischer Richtlinien
und Verordnungen ist oft europapolitische Kompetenz oder wenigstens der Zugang
zu Informationen gefordert. Hier sehen wir Bündnisgrüne in Brandenburg noch
immer Nachholbedarf, zu viele Möglichkeiten können nicht genutzt werden, zu viel
Expertise ist oft am falschen Ort und manche Instrumente und Möglichkeiten sind
überhaupt nicht bekannt.
Deshalb fordern wir:
- Einrichtung von zentralen Anlaufstellen („one-stop-shops“) für Fragen rund
um Europäische Politik und Förderung in allen Kreisstädten und Oberzentren
mit entsprechenden Kompetenzen und Ansprechpartner*innen in zentral
gelegenen Ladenlokalen
- Einrichtung einer Informations- und Kontaktstelle der Brandenburger
Kommunen in Brüssel
- Etablierung eines regelmäßigen Newsletters für alle Brandenburger Kommunen
zu europapolitisch relevanten Fragen und Ausschreibungen
- Einrichtung eines europäischen Austauschprogramms für kommunale und
regionale Mandatsträger*innenund Verwaltungsmitarbeiter*innen in
Brandenburg (z.B. im Rahmen von Erasmus+)
- Unterstützung der Kommunen bei der Etablierung von grenzüberschreitenden
Organisationsformen im Rahmen des Europäischen Verbunds für Territoriale
Zusammenarbeit (EVTZ)
2. Brücken und Verbindungen herstellen
Durch Brandenburg führen wichtige paneuropäische Verkehrsachsen. Der Großraum
Berlin-Brandenburg ist Ziel und Angelpunkt vielfältigen grenzüberschreitenden
Verkehrs, vor allem auch mit Polen und den weiter östlich liegenden Ländern. Vor
allem der kontinuierlich anwachsende Auto- und LKW-Verkehr zeigt dies deutlich.
Das positive Beispiel des 2016 geschaffenen Kulturzugs zwischen Berlin und
Wrocław hat eindrücklich bewiesen, dass für attraktive grenzüberschreitende
Bahnverbindungen Bedarf besteht. Dennoch mangelt es an Zugverbindungen zwischen
Brandenburg und Polen, an konkurrenzfähigen Schnellverkehrsverbindungen auf der
Schiene zwischen Berlin und den polnischen Metropolen. Diese müssen auf den
verschiedenen räumlichen Ebenen durch gemeinsame Verkehrsentwicklungskonzepte
begleitet werden.
Verständigung funktioniert vor allem dort, wo sich Menschen begegnen können.
Daher wollen wir grenzüberschreitende ÖPNV-Angebote weiter ausbauen. Trotz
einiger Fortschritte gibt es aber noch immer viel zu tun. Dabei stellt ein
attraktiver und faktisch gemeinsamer öffentlicher Personen- und
Schienennahverkehr nicht nur eine wesentliche Aufwertung der Lebensqualität in
Brandenburg und Polen dar, sondern er trägt auch gleichzeitig zu einer
Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in einer zusammenwachsenden
Grenzregion bei. Vor allem jedoch kann damit eine spürbare Abnahme des
motorisierten Individualverkehrs mit einer Abnahme an Lärm, Dreck und
Schadstoffbelastung einhergehen.
Deshalb fordern wir:
- Abbau bestehender Verbindungslücken in Grenzregionen durch forcierten
Ausbau eines grenzüberschreitenden SPNV und ÖPNV zwischen Brandenburg und
Polen, ggf. durch gemeinsame Finanzierungsmodelle mit den Nachbar-
Wojewodschaften
- Gesamtkonzept für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr inklusive der
konsequenten Elektrifizierung aller grenzüberschreitenden Bahnstrecken
- Sicherung und Ausbau des grenznahen ÖPNVs, konsequente Nutzung von
Fördermöglichkeiten für direkte Bus- oder Straßenbahnlinien wie z.B. in
Słubice/Frankfurt oder Gubin/Guben
- bessere schienengebundene Einbindung des BER an Westpolen
- besseren und direkten Bahnverbindungen zwischen den Zentren zur Verkürzung
der Fahrzeiten sowie die Schaffungzusätzlicher Angebote
- Fortführung des „Kulturzug“ Berlin-Wrocław
- Zweigleisiger Ausbau der Bahnstrecken über Horka und nach Szczecin
- Ausbau des gemeinsamen Ticket- und Tarifsystems und Prüfung einer Aufnahme
von Szczecin und weiteren polnischen Grenzstädten in den VBB
3. Gute Nachbarschaft mit unseren polnischen Nachbarn
Trotz einer bewegten Geschichte, die lange genug durch Gegnerschaft und
Ablehnung geprägt war, ist die Nachbarschaft von Polen und Deutschen immer
stärker von einer Partnerschaft auf Augenhöhe geprägt und die Grenze verliert
immer mehr ihren trennenden Charakter. Begegnungen finden an immer mehr Orten
statt und sind Teil einer neuen Normalität geworden.
Auch in Brandenburg zeigt sich: Europa wächst (auch) von unten zusammen. Es gibt
viele positive Entwicklungen: Menschen in den Grenzregionen wohnen immer öfter
auf der jeweils anderen Seite. Täglich pendeln mittlerweile mehr als 1600
Pol*innen nach Ost-Brandenburg und mehr als 2100 Pol*innen nach Berlin und die
Zahlen steigen stetig an. Polinnen und Polen sind die mit Abstand häufigsten
Ehepartner*innen in binationalen Ehen. Vor Ort arbeiten Vereine und Verbände
zusammen. Es entstehen immer mehr grenzüberschreitende Initiativen, wie
„Słubfurt“ in Frankfurt (Oder) und Słubice. Daher wollen wir gerade jetzt die
Zusammenarbeit und den Austausch zwischen brandenburgischen und polnischen
Bürger*innen, Verbänden und Institutionen noch mehr intensivieren. Eine wichtige
Rolle spielt dabei die Sprache. Hier zeigt sich, dass es weiterhin ein großes
Ungleichgewicht gibt, denn nur wenige Deutsche lernen polnisch oder haben
überhaupt die Möglichkeit dazu.
Die Gemeinschaftsinitiative INTERREG hat für uns Bündnisgrüne in Brandenburg
aufgrund der langen gemeinsamen Grenze mit Polen eine besondere Bedeutung, da
wir hier einen klaren europäischen Mehrwert erkennen können.
Deshalb fordern wir:
- Weitere Intensivierung des Brandenburgisch-polnischen Austauschs
insbesondere bei Städte- und Gemeindepartnerschaften
- Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung des Erlernens der Nachbarsprache
von der Kita bis zur Erwachsenenbildung
- Förderung von Polnischunterrichts an Brandenburger Schulen sowie
Unterstützung der Gründung von deutsch-polnischen Schulen
- Förderung Brandenburgisch-Polnischer Film- und Serienproduktionen, z.B. im
Rahmen des Medienboards
Begründung
Die Idee der friedlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil, noch unter dem Unmittelbaren Eindruck von Krieg, nationalsozialistischem Terror und Holocaust stellte einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit dar. Dieses große Wagnis hat sich für alle Europäer*innen gelohnt, insbesondere auch für die Menschen in Brandenburg. Nur die europäische Einigung ermöglichte die politischen Rahmenbedingungen, unter denen die Teilung Deutschlands überwunden werden konnte. Durch die EU-Osterweiterung 2004 ist Brandenburg von der Peripherie in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Mitte des Kontinents gerückt.
Dennoch steht das Projekt Europa vor den wahrscheinlich größten Herausforderungen in seiner Geschichte. Ein großes Mitgliedsland, Großbritannien, hat sich entschlossen, die Europäische Union zu verlassen. Wir Bündnisgrüne in Brandenburg bedauern dies zutiefst, weil wir überzeugt sind, dass Europa den Herausforderungen von Globalisierung sowie technologischem und sozialem Wandel nur gemeinsam erfolgreich begegnen kann. Umso schmerzhafter ist es, dass es gerade diese Herausforderungen waren, die viele Brit*innen dazu bewogen haben könnten, dem politischen Projekt Europa ihr Vertrauen zu entziehen. Die Voraussetzungen für eine Gesellschaft, die allen Menschen Freiheit sowie Perspektiven für Wohlstand und Entfaltung ihrer Persönlichkeit auch im einundzwanzigsten Jahrhundert garantiert, kann nur auf europäischer Ebene und durch die demokratische Zusammenarbeit aller Europäer*innen geschaffen werden. Dies bedeutet für uns, dass das Projekt Europa neuen Schwung bekommen muss und wesentliche Schritte unternommen werden müssen!
Wir wollen ein demokratisches und soziales Europa für alle, in dem nicht Lobyist*innen und ungewählte Bürokrat*innen, sondern demokratische Institutionen und alle Europäer*innen über die Angelegenheiten der Europäischen Union entscheiden, ein Europa, in dem sich alle Bürger*innen gleichermaßen Gehör verschaffen können und politische Partizipation auf europäischer Ebene allen Menschen gleichermaßen offensteht. Aus unserer Sicht sind einem demokratischen Europa für Alle die Interessen Brandenburgs am besten gewahrt. Ein Europa der Bürger*innen ist ein Europa, in dem regionale Belange beachtet werden und sich die Politik nicht auf die Angelegenheiten von wenigen Metropolen konzentriert. Für die Zukunft Brandenburgs sind viele politische Fragen besonders wichtig, die bereits heute auf europäischer Ebene entscheiden oder gelenkt werden: Wie schaffen wir den ökologischen Umbau unserer Landwirtschaft, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und den damit verbundenen Strukturwandel in Bergbauregionen? Wie muss die europäische Verkehrsinfrastruktur der Zukunft beschaffen sein? Wie kann Europa noch mehr vor Ort erfahrbar werden und wie können sich die Kommunen noch mehr einbringen? Dies sind Herausforderungen für Brandenburg und Europa zugleich, die auf europäischer Ebene, aber mit prägender Mitarbeit aus Brandenburg beantwortet werden müssen. Viele Regionen in Europa erleben bei Demografie und wirtschaftlichen Strukturen ähnliche Veränderungen wie Brandenburg. Brandenburg hat viele Transformationen bereits erfolgreich gemeistert. Hier können wir unsere Erfahrungen in Europa einbringen. Bei den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft setzen wir auf europäische Kooperationen und Erfahrungsaustausch. Brandenburg braucht Europa und Europa braucht Brandenburg.
Gleichwertige Lebensverhältnisse fördern
Nach dem Beitritt der neuen Länder wurden zahlreiche Projekte in Brandenburg aus den Struktur- und Kohäsionsfonds gefördert, seit 1991 bis 2020 werden voraussichtlich allein durch EFRE fast 5,5 Mrd. € im Land Brandenburg ausgereicht worden sein. Das erfolgreiche Wachstum in Brandenburg sowie der statistische Effekt durch den Brexit, das Absenken des EU-Bruttosozialprodukt-Durchschnitts führt zur Förderperiode nach 2021 vermutlich zu der Situation, dass Brandenburg unter die entwickelten, also reicheren Regionen Europas fällt. Neben der Stärkung von Demokratie und Mitbestimmung in allen Bereichen gilt es in Brandenburg insbesondere auf die demographischen Herausforderungen einzugehen. Natürlich müssen neben Forschung und Bildung auch die Digitalisierung sowie die Ansiedelung und der Ausbau von KMU vorangetrieben werden. Für uns Bündnisgrüne ist die Europäische Regional- und Förderpolitik mehr als reine Wirtschaftsförderung und muss politisch kontrollier- und planbar bleiben.
Strukturwandel im Energiesektor unterstützen und nicht bremsen.
Die Stromgewinnung aus Braunkohle ist dabei der größte Einzelemittent von Kohlendioxid in der gesamten Europäischen Union. Genauso wie in Brandenburg führt der Abbau von Kohle in Tagebauen zu großflächigen Zerstörungen uralter Kulturlandschaften und nachhaltiger Schäden an Umwelt und Natur. Der Kohleabbau und die Verstromung führen in allen Kohleregionen Europas ähnlich wie in Brandenburg zu industrialisierter Monokultur, bei denen ganze Landstriche von einzelnen Kohlekonzernen abhängig sind und eine alternative und nachhaltige Wirtschaftsstruktur undenkbar scheint. Die notwendige Vorbereitung des unvermeidlichen Strukturwandels wird wie in Brandenburg seit Jahrzehnten blockiert und alternative Szenarien ausgebremst. Die aktuelle Bergbauabfallrichtlinie hat entscheidend dafür gesorgt, dass die Lagerung und der Umgang mit Bergbauabfällen europaweit sicherer und umweltbewusster erfolgt. Leider sind Tagebaue, insbesondere auch die Braunkohleminen in der Lausitz, davon aktuell ausgenommen. Dadurch greifen viele fortschrittliche und wirkungsvolle Maßstäbe nicht in Brandenburg, so z.B. bei der Frage der finanziellen Absicherung der Renaturierungskosten.
Die Europäische Agrarpolitik an Brandenburger Bedürfnisse anpassen
So werden seit 2003 rund 70 Prozent der EU-Agrarsubventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), also rund 40 Milliarden, über die so genannte 1. Säule als pauschale Flächenprämie an die Betriebe ausgeschüttet. Der Mehrheit der europäischen Landwirte sichern sie zwar offiziell rund die Hälfte des Betriebseinkommens, wanden im aktuellen Wirtschaftssystem letztlich jedoch nur zu den Landbesitzern und belohnen fast ohne direkte Gestaltungswirkung mit der Gießkanne den Besitz von Land. So erhalten rund 20% der Betriebe erhalten etwa 80 % der europäischen Fördergelder der GAP. Zugleich ist die Zweite Säule für die Stärkung von Agrarumwelt und den ländlichen Räumen mit rund 30% der GAP-Subventionen stark unterfinanziert und kann ihr Potential und damit die gewünschte Wirkung im Umweltbereich, nicht ausreichend ausschöpfen. Es istan der Zeit, die GAP nach 2020 inhaltlich dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie endlich ein Gleichgewicht zwischen der Unterstützung der Landwirtschaft, der ländlichen Entwicklung und den Umweltleistungen der Landwirtschaft garantiert: entsprechend unserem Leitbild einer bäuerlichen europäischen Landwirtschaft, die in ihrer regionalen Vielfalt und Unterschiedlichkeit prägend für das soziale und kulturelle Landleben ist und die Attraktivität einer Region entscheidend beeinflusst. Eine Neuausrichtung der GAP bietet für Brandenburg die Chance zu einem Kurswechsel hin zu einer nachhaltigen und regional verankerten Landwirtschaft, die attraktive Dörfer mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten als Lebens-, Arbeits- und Erholungsraum ermöglicht.
Mehr Europa in den Kommunen – und die Kommunen europäisch stärken
Auch wenn diese bereits an einigen Stellen existiert - so z.B. bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg oder den Kontaktpersonen der Brandenburger Kreisverwaltungen - so ist dies segmentiert und teils schwer zugänglich. Um als Ansprechpartner*in für Fragen von Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft zu vielen Europathemen, insbesondere hinsichtlich der EU-Förderungspolitik, zu fungieren und damit für Anfragen leichter zugänglich zu sein, aber gleichzeitig auch Voraussetzungen für Synergien zu schaffen ist es notwendig, einheitlich Geschäftsstellen in jeder Kreisstadt/Mittelzentrum zu schaffen. Hier sollen Europapolitische Kompetenzen, insbesondere zu EU-Förderungen und Ausschreibungen zusammengeführt werden. Um Zugangshürden zu senken, aber auch um die Europäische Union deutlicher sichtbar zu machen, müssen diese Anlaufstellen in zentraler Lage, möglichst in einem Ladenlokal, mit ansprechendem Auftritt ausgestaltet sein um so auch als EU-Informationsstelle dienen zu können. Die Bayerischen und Sächsischen Kommunen haben mit einem Informations- und Kontaktbüro in Brüssel einen direkten Draht zwischen Kommunen und den EU-Institutionen geschaffen, die in einem wöchentlichen Rundbrief mit den entscheidenden Hinweisen auf Ausschreibungen, politischen Initiativen und konkreten Auswirkungen Europäischer Politik auf Kommunen kompetent informieren. Dies wäre auch für Brandenburger Kommunen von unschätzbarem Nutzen.
Gute Nachbarschaft mit unseren polnischen Nachbarn
Die polnisch-deutsche Geschichte ist geprägt durch Konflikte, Krisen, Besetzungen und Kriege. Trotz dieser schrecklichen Vergangenheit ist es Deutschland und Polen gelungen, den Ausgleich zu finden und in eine neue Phase des konstruktiven Miteinanders zu treten. Seit der politischen Wende in Polen und der DDR, noch mehr jedoch seit der Aufnahme Polens in die EU ist aus dem deutsch-polnischen Verhältnis sowie aus der Brandenburgisch-polnischen Zusammenarbeit ein echtes Miteinander und eine konstruktive Nachbarschaft geworden. Auch wenn sich die polnische Nationalregierung unter der Partei PiS sich anscheinend verabschiedet, die Menschen finden zueinander und leben in einem gemeinsamen Europa. Aber die Menschen in Brandenburg und Polen müssen auch noch weiter kulturell zusammenwachsen. Die Erfahrungen aus der deutsch-französischen Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg hat gezeigt, dass der Austausch und das Miteinander sowohl finanziell als auch strukturell gefördert werden muss, ob durch Schüleraustausch, Städtepartnerschaften oder sogar einen gemeinsamen Fernsehkanal. Wo Verständigung im Europäischen Rat an nationalen Politiken scheitert, können immer wieder Kooperationen auf kommunaler Ebene für Fortschritt sorgen. Daher fordern wir die bestehenden Städtepartnerschaften wie zwischen Potsdam und Opole oder Lübbenau und Pniewy zu stärken und ermutigen die Städte und Kommunen in Brandenburg, neue Städtepartnerschaften zu begründen. In den "Doppelstädten" Frankfurt (Oder)/ Slubice und Guben/ Gubin ist der Austausch im wahrsten Wortsinne Alltag: Menschen wohnen auf der einen und arbeiten auf der anderen Seite. Hier wie auch in anderen Grenzregionen wollen wir die Kommunen unterstützen und bestärken, sich durch attraktive öffentlichen Angebote und Dienstleistungen zu einem funktionierenden und lebenswerten Wirtschaftsraum zu entwickeln. Das deutsch-polnische Verbraucherinformationszentrum (VIZ) muss erhalten und die länderübergreifende polnisch-sprachige Beratung sollen sogar noch ausgebaut und insbesondere auch durch ein zweisprachiges Online-Angebot ergänzt werden. INTERREG bietet aufgrund seiner Konstruktion und seiner Aufgabe ein großes Potential und dient nachhaltig der Brandenburgisch-Polnischen Zusammenarbeit. Dies gilt es zu stärken und auszubauen.